News & Mitteilungen aus dem Verband
27.07.2016
„Wassertourismuskonzept“ ist unzureichend und enttäuschend
Gemeinsame Erklärung der Spitzenverbände des Wassersports, der Wassersportwirtschaft und aus dem Tourismus
In der Koalitionsvereinbarung für die 18. Legislaturperiode hatten sich die Regierungsparteien da-rauf verständigt, ein Wassertourismuskonzept vorzulegen. Dieses war vom Bundesverkehrsminis-ter lange angekündigt, und von den unterzeichnenden Verbänden dringend erwartet worden, um den Erhalt einer attraktiven und leistungsfähigen Infrastruktur dauerhaft abzusichern. Das nun vor-gelegte sog. „Wassertourismuskonzept“ bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Offensicht-lich handelt es sich nicht um ein innerhalb der Bundesregierung, insbesondere mit dem für Touris-mus zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, abgestimmtes Konzept, sondern lediglich um einen „Bericht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum ak-tuellen Stand der Überlegungen. Die enthaltenen Vorschläge sind offenkundig nicht mit den be-troffenen Ländern abgestimmt. Die unterzeichnenden Verbände wurden nur punktuell über die Überlegungen des BMVI unterrichtet, und legen vor diesem Hintergrund nachfolgende erste Kommentierung des BMVI-Berichts vor: Die Branchenverbände begrüßen das Bekenntnis des Bun-des zu seiner Verantwortung für den Erhalt und die Verbesserung der Infrastruktur für die in sei-nem Eigentum stehenden ausschließlich Freizeitzwecken (Sport, Tourismus) dienenden Wasser-straßen und dessen Bereitschaft, die hierfür erforderlichen Ressourcen in Form eines gesonderten Haushaltstitels zur Verfügung zu stellen. Positiv bewerten die Verbände außerdem die Absicht des BMVI, die Verwaltung dieser Wasserstraßen in einem getrennten Organisationszweig, aber unter dem Dach der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zu organisieren.
Dennoch ist der vorgelegte Bericht aus Sicht der Branchenverbände inhaltlich unzureichend und enttäuschend. Er enthält keine validen Aussagen über die wirtschaftliche Bedeutung und Perspektiven für die Entwicklung des Wassersports und Wassertourismus in Deutschland. Der Bericht stützt sich bei der Kategorisierung der Wasserstraßen für Freizeit und Tourismus auf Studien von Beratungsunternehmen, deren Aus-sagen nicht generalisierbar sind. So werden als wesentliche Indikatoren für die touristische Bedeu-tung u.a. die Anzahl geschleuster Touristenboote und Charterboote berücksichtigt, während der Verkehr der mehr als 400.000 privaten Sportboote als nicht touristisch veranlasst eingestuft wird. Welchen Beitrag die Wasserstraßen zur allgemeinen touristischen Attraktivität einer Region leisten bzw. leisten können, bleibt ebenfalls unberücksichtigt. In weiten Bereichen bleibt der Bericht vage und unverbindlich. Er vermittelt keine konkrete Vorstellung davon, wie die genannten Wasserstra-ßen zukünftig wassertouristisch genutzt und betrieben werden sollen. Es werden verschiedene Varianten genannt – Betriebsführungsmodelle, alternative Betriebsformen, Ausgliederungsange-bote an einzelne Bundesländer – eine Bewertung und klare Hinweise auf das geplante Vorgehen erfolgen jedoch nicht. Eine tatsächliche Zielsetzung ist nicht erkennbar. Im Hinblick auf den zukünf-tigen rechtlichen Charakter der ausschließlich freizeitgenutzten Wasserstraßen strebt das BMVI eine Änderung der Anlage des Bundeswasserstraßengesetzes, mit anderen Worten eine Entwid-mung von Wasserstraßen, an. Begründet wird dies damit, dass eine mittelbare Verwaltung von Wasserstraßen im Rahmen alternativer Betreiberkonzepte aufgrund grundgesetzlicher Regelungen eine Entwidmung voraussetze.
Die Änderung der Anlage des Bundeswasserstraßengesetzes erfor-dert die Zustimmung der Bundesländer. Inhaltlich bedeutet eine Entwidmung, dass der Wasser-straße die bundesrechtliche Verkehrsfunktion entzogen wird und die Länder bei einer Übernahme der Wasserstraßen auch deren finanzielle Lasten tragen müssten. Um weitere Interessengruppen an der Entwicklung zukünftiger Nutzungskonzepte beteiligen zu können, regen die Verbände eine Ergänzung von Artikel 89 des Grundgesetzes an, die dem Bund eine auch mittelbare Bundesverwal-tung durch eine Anstalt öffentlichen Rechts oder eine Stiftung, ggf. auch gemeinsame Verkehrs-verwaltung mit den Bundesländern erlauben würde. Die Verbände sehen hier deutlich mehr Chan-cen für eine Akzeptanz durch die Bundesländer, denen sehr an der aktiven Weiterentwicklung des Wassersports und des Wassertourismus in den Regionen gelegen ist, nicht aber an der Übertra-gung dauerhafter finanzieller Lasten.
Wassersport, Wassersportwirtschaft und Wassertourismus fordern weiterhin:
• Der gesonderte Haushaltstitel ist finanziell so auszustatten, dass daraus dauerhaft neben den Kosten für Betrieb und Erhaltung der freizeitgenutzten Wasserstraßen auch Investitionen in die Verbesserung der maritimen Infrastruktur bestritten werden können. Dazu muss das BMVI detail-liert darstellen, welche Kosten aktuell für deren Betrieb und Unterhaltung anfallen.
• Bund, Länder und Fachverbände entwickeln gemeinsam eine Methodik, um die aktuelle wirt-schaftliche Bedeutung des Wassersports und Wassertourismus sowie die möglichen Entwicklungs-potenziale auf den einzelnen Wasserstraßen adäquat abzubilden. Auf dieser Grundlage kann die Entwicklung der einzelnen Wasserstraßen gezielt und orientiert an ihrer zu erwartenden und mög-lichen zeitgemäßen Nutzung vorangetrieben werden.
• Die Vorlage eines abgestimmten und unter Einbindung aller Betroffenen erarbeiteten Wasser-tourismuskonzeptes durch die Bundesregierung, das eine klare Perspektive für die weitere Ent-wicklung aufzeigt und damit Wassersporttreibenden und Wirtschaftsakteuren, aber auch Ländern, Regionen, Landkreisen und Kommunen die erforderliche Rechts- und Planungssicherheit für ihre Investitionsentscheidungen gibt.
• Die parallel anlaufende Entwicklung des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“ muss im Sinne von Synergien erfolgen. Die Renaturierung und ökologische Aufwertung von Fließgewässern sowie wassersportliche/wassertouristische Aktivitäten stehen nicht im Gegensatz zueinander und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wassersport, Wassersportwirtschaft und Wassertourismus bieten hierzu ausdrücklich ihre aktive Mitarbeit an und erwarten, dass zukunftweisende Entscheidungen nicht ohne Einbeziehung der Betroffenen getroffen werden.
Anlagen / Download:
» Gemeinsame Erklaerung der Spitzenverbände (658.13 KByte)
Autor: DMYV
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