News & Mitteilungen aus dem Verband


07.07.2016

BMVi legt Wassersporttourismuskonzept vor, Dobrint kündigt Boots-Maut an!


Motorboot fahren könnte bald einige hundert Euro pro Jahr an Steuern kosten, geht es nach Minister Dobrint.
.  ©  Jürgen Knoop
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat am 01.07.2016 das erwartete Wassersporttourismuskonzept veröffentlicht. Mit dem Konzept bekennt sich der Bund nach eigener Aussage zu seiner Verantwortung als Eigentümer der Haupt- und Nebenwasserstraßen. Das ist grundsätzlich positiv zu sehen, da damit eine bundesweit einheitliche politische Zielrichtung zum Wassertourismus zu erwarten ist. Allerdings soll eine nutzerabhängige Finanzierung Grundlage des Konzeptes sein.

Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur in der Pressemitteilung: „Wassertourismus macht nicht nur Spaß, sondern ist auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Mit unserem Wassertourismuskonzept schaffen wir die Grundlage für Investitionen des Bundes in die Freizeitwasserstraßen und Naturgewässer. Damit sichern wir Wohlstand, Wachstum und Arbeit in unseren Regionen.“

Grundsätzlich unterscheidet der Bund in seinem Konzept in überwiegend gewerblich genutzte Bundeswasserstraßen, „Freizeitwasserstraßen“ sowie „ naturnahe Wasserstraßen“. An stark mit Motorbooten und Fahrgastschiffen frequentierten Gewässern („ Freizeitwasserstraßen“) sollte weiterhin Schleusenbetrieb aufrechterhalten werden. Die Infrastruktur an nur wenig genutzten Gewässern sollte dagegen nur für motorlose Freizeitnutzungen („ naturnahe Wasserstraßen“) ausgelegt werden. Der Rückbau oder Umbau von Schleusen¬ und Wehr¬anlagen könnte dort, z. B. im Rahmen des Bundes¬programms „Blaues Band“, effektiv in Kombination mit Renaturierungen erfolgen, so das BMVi im veröffentlichten Konzept.

In einer Übersichtskarte definiert das Konzept bereits Nebenwasserstraßen in seiner touristischen Gewichtung. Auffallend ist hier, dass fast ausschließlich die Gewässer rund um Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit einer „hohen und sehr hohen Bedeutung für Freizeit und Tourismus“ klassifiziert werden. Alle anderen Gebiete in Deutschland werden mit maximal „mittlerer Bedeutung“ klassifiziert.
Laut Aussage des Konzeptes sollten Investitionen vor allem in die Reviere mit hoher bzw. sehr hoher touristischer Bedeutung gelenkt werden, so etwa nach Mecklenburg Vorpommern, Brandenburg und Berlin, aber auch nach Rheinland ¬Pfalz und Hessen (Lahn) wie die Reviere bereits beim Namen genannt werden.

Es ist daher zu befürchten, dass andere Regionen in Deutschland in diesem Konzept wenig Platz finden und in der Weiterentwicklung der wassersportlich genutzten Nebenwasserstraße leer ausgehen werden. Weitere Schließungen von Wasserstraßen, Schleusen und Wehren sind aus Kostengründen daher in vielen Revieren in Deutschland zu erwarten.

Hierzu heißt es im Konzept: „An nur wenig genutzten Wasserstraßen ist die Vorhaltung aufwendiger Infrastrukturen wie z.B. Schleusen unwirtschaftlich. An diesen Gewässern sollte der Schwerpunkt auf den motorlosen Wassertourismus gelegt werden, welcher erheblich weniger aufwendige Infrastrukturen erfordert, wie z.B. Bootsgassen. Hier besteht Spielraum für die Renaturierungen, die derzeit im Rahmen des „Blauen Bandes“ konzipiert werden.“

Die Aussage ist klar und deutlich: Überall dort wo der motorisierte Wassertourismus nicht den Ballungszentren und in den letzten Jahren schon massiv finanziell geförderten Revieren wie Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nahe kommt, können Nebenwasserstraße aus Kostengründen geschlossen und renaturiert werden. Die kommunalen Stellen werden dieses sicherlich danken annehmen und sich zukünftig weiter auf den Naturschutz sowie auf dieses Konzept berufen.

Eine Ausnahme bildet laut BMVi der „motorlose Wassertourismus“, wie z.B. Ruderer und Kanuten. Das Konzept geht hier davon aus, das die Erhaltung von Nebenwasserstraßen für diese Sportarten weniger kostenintensiv ist, außerdem eine größere jüngere Zielgruppe anspreche.
Im Wassertourismuskonzept heißt es hierzu: „Wegen des demografischen Wandels nimmt die Anzahl der Nutzer insgesamt ab. Hierbei wird der Anteil der motorlosen Freizeitnutzer (Kanuten) an der Gesamt¬nutzerzahl in den nächsten Jahren deutlich steigen, weil die motorlosen Freizeitnutzer durchschnittlich jünger sind als Motorbootfahrer.“

Auf welcher statistischen Auswertung diese Aussage basiert ist nicht angegeben. Auch in wie weit die Klassifizierungskarte bereits auf statistischen oder tatsächlichen Auswertungen basiert, in welcher Form die Verbände und Kommunen vor Ort sich um Förderung aus den Wassertourismuskonzept bewerben können wird nicht erwähnt.

Zur Finanzierbarkeit der Investitionen stellt das Konzept verschiedene Möglichkeiten vor. Grundsätzlich liegt der Tenor auf verschiedene Nutzerfinanzierungsvarianten über Steuern, Maut oder andere Abgaben. Offen bleibt aber ob diese Abgaben, ähnlich wie in Frankreich oder Großbritannien mehrere 100 EUR pro Jahr, pauschal alle motorisierten Wassersportler betreffen oder nur für Finanzierte Streckenabschnitte gelten sollen. Ausgenommen sein sollen auf jeden Fall alle „nicht motorisierten Wassersportler“.

Um die Akzeptanz einer solchen "Nutzerfinanzierung" zu erhöhen, sollen die Einnahmen aus der neuen Gebühr nicht in den allgemeinen Bundeshaushalt fließen, "sondern nachvollziehbar in gleicher Höhe in Investitionen an den touristisch genutzten Wasserstraßen". Gebührenfrei – das immerhin – soll es auch künftig auf den rund 4500 Kilometer Hauptwasserstraßen zugehen. Sie sollen weiterhin ausschließlich von gewerblichen Nutzern finanziert werden.

Verantwortlich hierfür soll eine neue Behörde sein, die ausschließlich die Freizeitgewässer verwaltet. Nur die großen, gewerblichen Wasserstraßen verblieben danach in der Zuständigkeit der bundeseigenen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. An der neuen, zusätzlichen Freizeitgewässerverwaltung sollen sich außer dem Bund auch die Bundesländer, möglicherweise zudem private Organisationen beteiligen können.

Ein Grund für die Nutzerfinanzierung ist, dass der Bund ab 2021 gesetzlich verpflichtet ist, seine Infrastrukturen über Gebühren zu finanzieren, nicht über den allgemeinen Haushalt. Um die Freizeitwasserstraßen auf Dauer nutzbar zu halten, bedarf es nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums rund 900 Millionen Euro, würde man lediglich das Allernötigste tun, käme man immerhin noch auf einen Investitionsstau von 255 Millionen Euro. Dazu kommen jährliche Unterhaltskosten für dieses Netz in Höhe von mindestens 65 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen derzeit Einnahmen aus Schleusungsgebühren in Höhe von 80.000 Euro, die derzeit pauschal für alle Nutzer vom Deutschen Motoryachtverband und dem Deutschen Seglerverband übernommen werden.




Autor: Michael Brassat, LMB

Zurück
    [1]   2   3   4       »